Wedeb

Speaker

Anfang Juli 2014 habe ich mein Heimatland Eritrea verlassen. Eritrea ist eine Art Polizeistaat, in dem es prinzipiell zwei Wege für Männer gibt: entweder man geht zur Schule oder zur Armee. Ich bin zur Schule gegangen, war allerdings kein guter Schüler und hatte dann Angst zur Armee zu müssen - deshalb wollte ich ausreisen. Zuerst bin ich eine Woche in Äthiopien gewesen und dann drei Tage lang zu Fuß und mit Mitfahrgelegenheiten weiter in den Sudan gefahren. Dort bin ich eineinhalb Monate geblieben, konnte aber schwer Fuß fassen. Also bin ich per Pick Up weiter nach Libyen gefahren. Unterwegs gab es kaum etwas zu trinken und essen oder Möglichkeiten auf die Toilette zu gehen. Viele der Mitfahrenden haben an der Grenze Geld bezahlt, um in die Hauptstadt Libyens einreisen zu können, um etwas zu essen. Einige hatten durch den Nahrungsmangel auch körperliche Beschwerden. Dort habe ich versucht, einen Platz auf einem Schiff nach Europa zu bekommen. In Italien bin ich dann von Bord. Erst nach Napoli, dann Rom, München und schließlich Chemnitz. Damals haben viele Flüchtende gesagt, dass sie aus Eritrea sind, da so die Chancen hoch waren, Asyl zu bekommen. Als ich hier ankam wurden mir viele Detailfragen gestellt, um herauszufinden, ob ich was meine Herkunft angeht die Wahrheit sage. Nachdem mein Asylantrag akzeptiert wurde, begann ich eine Ausbildung als Tischler in Döbeln. In Eritrea hatte mich mein Vater bereits seinen Beruf als Schweißer gelehrt und ich konnte gut daran anknüpfen. Als ich meine Ausbildung fertig hatte, habe ich über einen Freund aus meinem Volleyballteam ziemlich schnell einen Job in einer Tischlerei gefunden. Obwohl mein Chef kein Englisch und ich schlecht Deutsch konnte, fanden wir Möglichkeiten, uns zu verständigen – das war teilweise sehr lustig. Generell waren meine Arbeitskolleg:innen freundlich und haben mir viel geholfen. Zu dieser Zeit bin ich auch Vater geworden und dann aus Döbeln zurück nach Chemnitz gezogen, wo meine Freundin wohnt. Mittlerweile arbeite ich für einen anderen Betrieb, da der Arbeitsweg mit Kind schnell zu lang war. In meiner freien Zeit liebe ich es, Fahrrad zu fahren und bin auf der Suche nach einem Team, denn allein ist das auch manchmal langweilig. Außerdem produziere ich eigene Rap-Musik zu Hause. Ich schreibe über mich und mein Gefühl von Wahrheit – darüber, was ich erlebe. Einen großen Teil nehmen dabei negative Erlebnisse mit der Polizei, ich werde nämlich ständig kontrolliert, mindestens 2-3-mal pro Woche. Dann muss ich zum Beispiel vom Fahrrad steigen und sie prüfen, ob es meins ist. Oft muss ich auch meine Schuhe und Socken ausziehen, weil sie denken, dass ich Marihuana verkaufe. Am Chemnitzer Hauptbahnhof hat mich mal ein Polizist in Zivilkleidung gefragt, ob ich ihm Drogen verkaufen kann – auch nach mehrfachem Verneinen meinerseits hat er auf mich eingeredet, bis endlich mein Zug kam. Dann hat er mir seinen Dienstausweis gezeigt und ich bin richtig erschrocken. Rassismus im Alltag erlebe ich persönlich hauptsächlich durch die Polizei und würde daher auch nie selbst die Polizei rufen, wenn mir etwas passiert – ich vertraue ihr nicht. Erfahrungen mit Polizist:innen wie diese sind nichts, was es speziell nur in Chemnitz oder Döbeln gibt – die könnte ich überall haben. Ich lebe sehr gerne in der Stadt und möchte mir hier etwas aufbauen und mich selbstständig machen. Zum einen mit der Musik, aber auch mit Essen – letztens habe ich das erste Mal in der Probierküche Z13 vom Späti auf dem Sonnenberg gekocht. Ich könnte mir gut vorstellen, ein eigenes Restaurant mit eritreischer Küche zu betreiben. Wenn ich es schaffe, möchte ich außerdem dieses Jahr auch ein Musikvideo zu einem meiner Songs produzieren – ich wünsche mir, dass auch wenn Menschen nicht so gut hören oder Sprache verstehen können, sie meine Musik fühlen können. Auch als DJ habe ich schon gearbeitet – im Atomino und auf ein paar kleinen Festivals in der Stadt. Den Chemnitzer:innen würde ich gerne sagen, dass sie nicht schlecht über Menschen mit einer anderen Hautfarbe denken sollten, bevor sie nicht mit ihnen geredet haben. Meine Landsleute würde ich gerne ermutigen, sich eine Arbeit zu suchen. Ich hatte sehr viel Glück, schnell einen Job zu finden und mir hat das sehr geholfen. Zu Arbeiten ist wichtig, um sich etwas aufbauen zu können, mit Menschen in Kontakt zu kommen und so ein gutes Leben hier führen zu können. Menschen verschiedener kultureller Hintergründe müssen sich aneinander anpassen, um einen Alltag zu gestalten, der für alle angenehm ist. Nur so kommt man beieinander an.

Wedeb