Valentin Mici

Speaker

Ich bin 2002 mit meiner Mutter aus Rumänien nach Deutschland gekommen. Sie hatte damals meinen Stiefvater kennengelernt, der in Gelenau lebte. Dort bin ich auch zur Schule gegangen, was nicht einfach war - in der dritten Klasse, mit 8-9 Jahren bin ich jeden Tag weinend vom Unterricht heimgekommen. Mit Hilfe eines Psychologen ist dann herausgekommen, dass ich von einer Lehrerin rassistisch gemobbt wurde. Die Lehrerin wurde anschließend gefeuert. Als ich 21 Jahre alt war starb meine Oma in Rumänien an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Meine Mutter hat das schwer verkraftet, sie hat kurze Zeit später die Diagnose Leukämie bekommen. Der Verlauf der Krankheit war das Übelste, was ich bisher in meinem Leben gesehen habe. Wenn die Person, die du liebst von Tag zu Tag einfach immer mehr abnimmt. Ein paar Monate später im Juni ist dann mein Opa gestorben, das haben wir meiner Mutter gar nicht erzählt - aus Angst, dass es ihr noch schlechter geht. Im Juli ist sie gestorben. All das geschah in einem halben Jahr. Ich habe mich damals gefragt, was ich überhaupt hier soll – in einem fremden Land, ohne Mutter. Wofür sollte ich überhaupt noch leben? Meine Mutter war meine einzige wirkliche Bezugsperson, sie hat mir in einem fremden Land ein Gefühl von Heimat gegeben. Meinen Vater kenne ich nicht wirklich. Damals hätte ich niemals gedacht, dass ich einmal so hier vor dir stehe und von meiner Geschichte erzähle. Ich habe danach noch ein Jahr lang mit meinem Stiefvater in Gelenau gewohnt, dann bin ich nach Chemnitz gekommen und habe meine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann im Kleidungsgeschäft „Titus“ angefangen. Dort habe ich viele Freunde kennengelernt, die nun gemeinsam mit meinem Stiefvater, der heute auch in Chemnitz lebt, meine Familie sind. Ich hatte viele schwierige Zeiten in meinem Leben. Viele dunkle Momente, aber auch helle. Heute denke ich: Der einzige Grund, warum ich mich nicht aufgegeben habe, ist, dass meine Mutter sich immer den Arsch dafür aufgerissen hat, dass meine Großeltern und ich etwas zu essen bekommen. In Rumänien haben wir in ärmlichsten Verhältnissen gelebt. Es gab kein fließendes Wasser, das mussten wir vom Brunnen holen. Wir haben jeden Tag Kartoffeln und Brot gegessen. Mein Opa hatte eine Rente von 200 Euro, meine Oma gar keine. Auch mein Onkel hat wenig verdient. Meine Mutter ist täglich 12 Stunden kellnern gegangen, damit wir überhaupt etwas haben, damit wir zu fünft überleben konnten. Hätte ich mich selbst aufgegeben, wäre alles umsonst gewesen, was meine Mutter jemals gemacht hat. Das ist etwas, woran ich mich festhalte. Das ist der Grund, weshalb es mir jetzt einigermaßen gut geht. Weshalb ich einen Antrieb habe und die Kraft schöpfen kann mein eigenes kleines Unternehmen in Chemnitz aufzubauen – einen Kostümfundus für alle, ausgerichtet auf den Filmbereich. Kleidung hat mich schon als Kind interessiert. In der Schulzeit haben wir im Fach Haushaltslehre Nähen gelernt. Ich habe mir damals direkt eine Nähmaschine gekauft und ständig Sachen von mir und meinen Freund:innen umgenäht. Gemeinsam mit einem Freund habe ich dann später begonnen, Kleidung zu sammeln. Wir hatten die Idee, eine niederschwellige Modenschau in der Stadt zu organisieren. Keine High Fashion, einfach kreativ kombinierte Outfits aus Second-Hand Kleidung. Durch meine aktuelle Arbeit als Garderobiere beim Film habe ich dann gemerkt, dass es kaum Kostümfundusse in Deutschland gibt und da wirklich Bedarf besteht. Also habe ich begonnen, mir selbst ein kleines Lager aufzubauen aus dem bald Chemnitz erster Kostümfundus für alle entsteht! Ab voraussichtlich August 2022 kann jeder Mensch, der ein Outfit braucht, zu mir kommen und sich kostenlos Kleidung ausleihen! Vor ein paar Jahren hätte ich niemals gedacht, dass ich mal ein eigenes Unternehmen in Chemnitz gründen würde und jetzt habe ich so viele Ideen, wohin sich der Fundus entwickeln könnte.