ROJANA

Speaker

Als ich noch in Afghanistan gelebt habe, arbeitete ich als Radiomoderatorin und setzte mich für Menschen mit Behinderung ein. Ich selbst sitze auch im Rollstuhl und habe täglich Schmerzen. Mit viel Arbeit und Mühe habe ich es geschafft, den Bürgermeister meines Dorfes zu überzeugen, einige Schulen und auch die Universität für Rollstuhlfahrende zugänglicher zu machen – denn leider ist es in Afghanistan so, dass Menschen mit Behinderung nicht dieselben Bildungschancen haben, wie andere Menschen. Durch diese Veränderung war es auch mir möglich an der Universität zu studieren. Meine Familie war von dieser Idee überhaupt nicht begeistert. Ich habe es dennoch durchgezogen und studierte „Verwaltung für den öffentlichen Dienst“. 2011 bekam ich dann ein Stipendium für ein Medizinstudium in der Türkei angeboten, was ich natürlich angenommen habe. Leider musste ich das Studium aus gesundheitlichen Gründen 2013 abbrechen. Aber anstatt zurück nach Afghanistan zu gehen, bin ich nach Griechenland geflohen und 2015 dann nach Deutschland. Meine erste Station hier war Passau. Nach vier Tagen ging es aber auch schon nach Chemnitz, wo ich nicht gerade einen leichten Start hatte. Das erste halbe Jahr verbrachte ich im Flüchtlingsheim und auch gesundheitlich hatte ich weiter zu kämpfen. Es folgten wieder sehr viele Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte, was zur Folge hatte, dass ich ganze zwei Mal durch meine B1 Sprachprüfung fiel. Im März letzten Jahres habe ich dann endlich meine Rückenoperation bekommen, die jedoch nicht erfolgreich war, weshalb ich ein zweites Mal operiert werden musste. Nun geht es mir zwar etwas besser, ich muss aber trotzdem darauf achten, dass ich abwechselnd liege, laufe und im Rollstuhl sitze, damit die Schmerzen nicht wieder so stark werden. Zu Chemnitz kann ich Folgendes sagen: Die Stadt ist natürlich viel Barrierefreundlicher als Afghanistan, dennoch ist auch hier noch sehr viel Luft nach oben. Ich gehe zum Beispiel gerne ins Kino oder Theater, war aber bis jetzt nur zwei Mal da, weil die Wege nicht leicht zu befahren sind. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel sind nicht rollstuhlfreundlich. So was macht mich wirklich traurig, denn auch Menschen im Rollstuhl wollen sich natürlich am kulturellen Leben beteiligen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, ohne Angst haben zu müssen, zu stürzen. Ein weiteres Problem hier ist, dass rollstuhlgerechte Wohnungen viel teurer sind als übliche Wohnungen. Auch das finde ich unfair und würde ich gerne ändern. Ich wünsche mir, dass die nächsten Generationen von Rollstuhlfahrer:innen es in Chemnitz leichter haben. Das geht natürlich nur zusammen und Schritt für Schritt. Ich bin froh, nun wieder Teil einer Radio-Redaktion (Radio T) in Chemnitz zu sein und will es somit schaffen, die Thematik „Barrierefreiheit“ mehr in den Fokus der Gesellschaft zu rücken. Denn auch wenn ich seit 2015 hier in Chemnitz lebe, weiß ich eigentlich recht wenig darüber, wo ich als Rollstuhlfahrerin überall hingehen kann. Gleichzeitig bin ich froh, dass die Redaktion eine für und mit internationalen Menschen ist. Ich wünsche mir nämlich, dass die Menschen, egal ob in Chemnitz oder woanders in Deutschland, sich mehr öffnen. Sowohl gegenüber Menschen mit einer Migrationsgeschichte als auch gegenüber Menschen mit Behinderung. Denn im Endeffekt sind wir alle Menschen, die glücklich sein wollen. Manche mussten dafür in ein anderes Land fliehen und ihre Familien zurücklassen. Was echt nicht leicht ist. Ich zum Beispiel, habe meine Familie seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Und wenn die Menschen dann noch unfreundlich zu dir sind, macht es einem das Leben zusätzlich noch schwer. Ich wünsche mir mehr Freundlichkeit und merke was das angeht heute im Vergleich zu 2015 schon Verbesserungen – das gibt mir Hoffnung!

ROJANA